Cochrane Reviews / Kommentare

Kapitel 10: Suchterkrankungen

 



Drogen- und Alkoholabhängigkeit: Nachsorge und weitere therapeutische Hilfen:
 

27.11.2007:

EBM Einem neuen Review zufolge lässt sich bei Patienten mit einer Drogen- oder Alkoholabhängigkeit durch Case Management die Verzahnung mit anderen relevanten medizinischen und psychosozialen Diensten verbessern (Evidenzstufe 1a: Hesse et al., 2007; Cochrane Review). Positive Effekte auf den Substanzkonsum ließen sich nicht schlüssig nachweisen.



Kokain und andere Stimulantien: Entwöhnungsbehandlung:
 

17.09.2007:

EBM In einem neuen Cochrane Review wurde die Wirksamkeit von Psychotherapie für die Entwöhnungsbehandlung bei Kokainabhängigkeit untersucht. 27 randomisiert, kontrollierte Studien gingen in die Analyse ein, wobei in einer Studie die behandelten Patienten Amphetamine konsumiert hatten. Aufgrund der spärlichen Datenlage bzw. der Heterogenität der Daten ließen sich jedoch nur wenige der durchgeführten Vergleiche metaanalytisch absichern. In zwei kleinen Stichproben (Patienten in einem Methadon Programm, schwangere bzw. postpartum Frauen) erwies sich – bei vergleichbaren drop-out Raten - kognitive Verhaltenstherapie (KVT) plus Kontingenzmanagement einer KVT ohne Kontingenzmanagment signifikant überlegen (Evidenzstufe 1a: Knapp al., 2007; Cochrane Review). Die Ergebnisse von Einzelstudien deuten ferner darauf hin, dass das Abstinenzverhalten und die Abbruchraten für verhaltenstherapeutisch behandelte Patienten günstiger ist als für Patienten die „drug counselling“, „clinical management“ oder „treatment as usual“ erhielten.



Tabakabhängigkeit: Raucherentwöhnung:
 

17.09.2007:

EBM In einem neuen Cochrane Review wurde überprüft, ob sich durch (verhaltenstherapeutisch orientierte) Beratungsgespräche die Abstinenzraten reduzieren lassen bei Patienten, die wegen körperlicher, mit dem Tabakkonsum im Zusammenhang stehenden körperlichen Erkrankungen (z.B. Herz-Kreislauferkrankungen) stationär behandelt werden. Durch intensive, ambulant weitergeführte Interventionen lassen sich – unabhängig von der Art der körperlichen Erkrankung - die Abstinenzraten im Vergleich zu einer unbehandelten Kontrollgruppe signifikant steigern, wobei sich dieser Effekt durch die Kombination mit einer Nikotinersatztherapie oder Bupropion nicht signifikant steigern ließ (Evidenzstufe 1a: Rigotti et al., 2007; Cochrane Review).



Tabakabhängigkeit: Reduktion des Konsums:
 

17.09.2007:

EBM In einem neuen Cochrane Review wurden Interventionen zur Reduktion des Zigarettenkonsums untersucht, da viele Raucher, die ihren Zigarettenkonsum zwar einschränken, nicht jedoch vollständig aufgeben wollen. Unter einer Nikotinersatztherapie wurde zwar nur halb so viel geraucht wie unter einer Placebobedingung. Dieser positive Effekt ließ sich jedoch nicht in vergleichbarem Ausmaße durch eine Reduktion von Kohlenmonoxid verifizieren. Nur wenigen Rauchern gelang es auf Dauer weniger zu rauchen (Evidenzstufe 1a: Stead und Lancaster, 2007; Cochrane Review). Die Autoren gehen deshalb davon aus, dass eine Nikotinersatzersatztherapie deshalb wohl in der Regel als Vorstufe für eine völlige Abstinenz zu betrachten ist.



Tabakabhängigkeit: Medikamentöse Entwöhnungshilfen:
 

S. 414:

EBM Eine Bupropionbehandlung ist einer Placebobehandlung in der Raucherentwöhnung signifikant überlegen (Evidenzstufe 1a: Hughes et al., 2003; Cochrane Review).

15.03.2007:

EBM Durch eine Behandlung mit Bupropion oder Nortriptylin lassen sich über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten die Abstinenzraten verdoppeln (Kontrollgruppe: Placebobehandlung/keine Pharmakotherapie), wobei dieser Effekt nicht auf die antidepressive Wirkung rückführbar ist. Beide Substanzen erwiesen sich vergleichbar wirksam wie eine Nikotin-Ersatztherapie (Evidenzstufe 1a: Hughes et al., 2007, Cochrane Review). Durch die Gabe eines SSRIs ließen sich die Abstinenzraten im Langzeitverlauf nicht signifikant reduzieren.

15.03.2007:

EBM Durch einen partiellen Nikotinrezeptor Agonisten lassen sich einem neuen Cochrane zufolge über einen Untersuchungszeitraum von 12 Monaten die Abstinenzraten signifikant steigern, wobei sich Varenicline einer Placebo- und einer Buprionbehandlung überlegen erwiesen (Evidenzstufe 1a: Cahill et al., 2007, Cochrane Review). An Nebenwirkungen trat vor allem eine vorübergehende leicht bis mittelschwer ausgeprägte Übelkeit auf. Weitere Studien die Rückfallprophylaxe und den Vergleich mit einer Nikotin-Ersatztherapie stehen jedoch noch aus.



Entwöhnungsbehandlung (Opioidabhängigkeit):
 

05.08.2006:

EBM Bei Heroinabhängigen lassen sich durch eine Kombination von Opiatantagonisten und α2-adrenergen Agonisten Entzugssymptome wirksam reduzieren (Evidenzstufe 1a: Gowing et al., 2006a, Cochrane Review), wobei die unter dieser Medikation auftretende Entzugssymptomatik anfänglich stärker ausgeprägt zu sein scheint als unter einer ausschließlichen Medikation mit Clonidin und Lofexidin. Die Behandlung sollte wegen möglicher schwerwiegender Nebenwirkungen (Delirium, Erbrechen, Diarrhoe) unter enger klinischer Überwachung erfolgen.

  

S. 429:

EBM Obgleich das Prinzip der forcierten Entgiftung bereits seit vielen Jahren bekannt ist, erlauben die empirischen Daten gegenwärtig keine Aussagen zur Wirksamkeit des Verfahrens (Gowing et al., 2003, Cochrane Review).“

05.08.2006:

EBM Eine beschleunigte Entzugsbehandlung unter starker Sedation bzw. unter Narkosebedingungen hat im Vergleich zu einer Entzugsbehandlung mit nur leichter Sedierung einem Cochrane Review zufolge keinen zusätzlichen Benefit. Aufgrund der mit diesem Prozedere verbundenen möglichen lebensbedrohlichen Risiken in Verbindung mit dem erhöhten ökonomischen und personellem Behandlungsaufwand sollte den Autoren zufolge diese Behandlungsstrategie nicht weiter angewandt werden (Gowing et al., 2006c, Cochrane Review).

   

S. 429:

EBM Buphrenorphin scheint einem Review zufolge die Entzugssymptomatik wirksamer zu reduzieren als Clonidin und mit weniger Nebenwirkungen behaftet zu sein. Aufgrund vielfältiger methodischer Defizite der vorhandenen Studien in Verbindung mit einer großen Variabilität des praktizierten Vorgehens wurden die Daten nicht metaanalytisch ausgewertet und wurde auf die Notwendigkeit weiterer empirischer Absicherung verwiesen (Gowing et al., 2003; Cochrane Review).“

05.08.2006:

EBM Zwischenzeitlich durchgeführte Studien erlaubten eine metaanalytische Auswertung der Daten. Diesem vergrößerten Datensatz zufolge ist Buphrenorphin bei der Behandlung der Entzugssymptomatik von Opiatabhängigen wirksamer als Clonidin. Zwischen einer Methadon- und Buphrenorphinbehandlung ergaben sich in Bezug auf die Abbruchrate keine Unterschiede, unter einer Behandlung mit Buphrenorphin bildete sich die Entzugssymptomatik jedoch schneller zurück (Evidenzstufe 1a: Gowing et al., 2006b, Cochrane Review).



Alkoholbedingte Störungen: Pharmakotherapie zur Rezidivprophylaxe:
 

S. 409:

„Den Ergebnissen einer Metaanalyse zufolge ist Naltrexon im Kurzzeitverlauf eine wirksame Behandlungsstrategie bei Alkoholabhängigkeit (Evidenzstufe 1a: Srisurapanont u. Jarusiraisin, 2002; Cochrane Review; Schoechlin u. Engel, 2000; qualitätsüberprüfter Review), allerdings verbunden mit einer hohen Rate von Therapieabbrüchen (35% innerhalb von 12 Wochen). Die Autoren des Cochrane Reviews empfehlen eine tägliche Dosis von 50mg/Tag bei einer vermutlich optimalen Behandlungsdauer von mehr als drei Monaten. Empfohlen wird ferner eine begleitende Psychotherapie.“

15.03.2005:

EBM In einer auf einem größeren Datensatz beruhenden Reanalyse konnten dieselben Autoren die Wirksamkeit von Naltrexon im Kurzzeitverlauf erneut bestätigen. Obwohl unter einer Naltrexonbehandlung im Vergleich zu einer Placebogruppe weniger Patienten die Therapie vorzeitig abbrachen lag die Rate von Therapieabbrüchen auch unter Naltrexon mit 37% hoch. Da in der Mehrzahl der evaluierten Studien neben der medikamentösen Therapie eine, zumeist intensive Psychotherapie durchgeführt wurde, wird – um die genannten Effekte zu erzielen - eine begleitende Psychotherapie empfohlen (Evidenzstufe 1a: Srisurapanont u. Jarusiraisin; Cochrane Review).



Drogenbedingte Störungen: Körperliche Entgiftung, medikamentöse Therapie und aktive Motivationsförderung:
 

05.12.2004:

EBM Einem neuen Cochrane Review zufolge lässt sich bei Opiatabhängigen zur Reduktion der Entzugssymptomatik der positive Effekt von Methadon durch zusätzliche psychotherapeutische Interventionen (v.a. verhaltenstherapeutische Interventionen wie z.B. Kontingenzmanagement) deutlich verbessern (Evidenzstufe 1a: Amato et al. 2004a). Unter einer Kombinationsbehandlung ergab sich eine verbesserte Therapiecompliance mit weniger Therapieabbrüchen sowie höhere Abstinenzraten bei Follow-up (zwischen 6 und 12 Monate). Einschränkend wird jedoch auf die vergleichsweise kleine Stichproben verwiesen, die weiteren Forschungsbedarf signalisieren.



Entwöhnungsbehandlung und psychotherapeutische Ansätze:

 

05.12.2004:

EBM Einem neuen Cochrane Review zufolge lässt sich bei Opiatabhängigen der positive Effekt einer Methadonsubstituion durch psychotherapeutische Interventionen steigern. Unter einer Kombinationsbehandlung war für die Dauer der Therapie die Rate der „non user“ signifikant höher als bei ausschließlicher Methadongabe (Evidenzstufe 1a: Amato et al. 2004b). Dieser Effekt ließ sich jedoch bei Nachuntersuchung (Beobachtungszeitraum: zwischen 2 und 8 Monate) nicht mehr nachweisen. Durch die Heterogenität der evaluierten psychotherapeutischen Verfahren (Biofeedback, kognitive Verhaltenstherapie, Interpersonelle Psychotherapie, psychoanalytische Verfahren) in Kombination mit kleinen Stichproben bedarf dieser Befund jedoch einer weiteren empirischen Absicherung auf der Basis eines erweiterten Datenpools.



Behandlung mit Opiatagonisten:

 

01.09.2003:

EBM Einem neuen systematischen Review zufolge ist eine Substitutionsbehandlung mit Methadon in einer Dosierung zwischen 60 und 100mg/Tag wirksamer als niedrigere Dosen im Hinblick auf Compliance und den zusätzlichen Konsum von Heroin und Kokain (Evidenzstufe 1a: Faggiano et al 2003; Cochrane Review).

Kommentar:

Die Schlussfolgerungen von Faggiano et al. 2003 stützen die im Lehrbuch aufgeführten Aussagen, insbesondere auch die Ausage, dass „eine Erhöhung der Methadondosis die Häufigkeit des Beigebrauchs reduzieren kann“. Niedrigere Dosierungen als 60 mg/Tag führen wahrscheinlich bei einem Teil der opiattoleranten Drogenabhängigen zu Entzugserscheinungen unter Substitutionstherapie und somit zu einem erhöhten Rückfall- oder Beigebrauchs-Risiko. Es sollte also immer – unter Beachtung klinischer Kriterien – ausreichend substituiert werden. Auch der laut Faggiano et al. (2003) angegebene Bereich von 60-100 mg/Tag darf nicht als individuell verbindliche Richtgröße angesehen werden, da im Einzelfall Abweichungen nach oben und unten erforderlich sein können.


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